Entscheidungen zu Reisen in Corona-Zeiten: Wann dürfen Reisende kostenfrei stornieren?

Diese Frage stellen sich viele Reisenden nunmehr seit mehr als einem Jahr. Seit März dieses Jahres gibt es unterschiedliche Auffassungen bei Reiseveranstaltern und Reisenden, wer wie lange zu welchen Kosten (oder auch kostenfrei) eine Reise stornieren darf. So lange der Veranstalter die Reise nicht durchführen konnte, war die Sache recht eindeutig: der Kunde kann vom Veranstalter den gesamten Reisepreis bzw. die von ihm geleistete Anzahlung in voller Höhe zurückverlangen. Dass dies trotz klarer Rechtslage dem Reisenden nicht immer einfach gemacht wird und viele Reisende bis heute auf die Zahlungen der Airlines und Pauschalreiseanbietern warten, steht auf einem anderen Blatt.

Was aber, wenn der Reisende aus Sorge selber eine Reise storniert hat? Stehen dem Veranstalter dann Stornierungsgebühren zu oder steht Kunden in diesen Fällen coronabedingt ein Sonderkündigungsrecht zu, ohne dass Stornokosten auf sie zukommen? Hier gingen die Meinungen so weit auseinander, dass Gerichte bemüht werden mussten. Nun gibt es zu einem sehr typischen Fall eine erste gerichtliche Entscheidung zu der Rechtmäßigkeit von Stornierungen von Reisen durch Reisende.


Der Reiseanbieter für Afrikareisen kassierte dabei eine Niederlage. Anlass für den ersten Prozess vor dem Amtsgericht Leipzig war die Weigerung des Reiseveranstalters, die Anzahlung für eine für den Juni 2020 geplante und Ende 2019 gebuchte Tansania-Reise nach einer entsprechenden Stornierung zurückzuzahlen. Der Veranstalter war der Ansicht , dass die Absage der Reise Ende März 2020 „übereilt“ erfolgte. Schließlich seien es zum Zeitpunkt der Stornierung noch mehr als zwei Monate bis zum eigentlich geplanten Reiseantritt gewesen. Außerdem habe die weltweite Reisewarnung nur bis 30. April gegolten. Argumente allerdings, die das Amtsgericht nicht überzeugten. Es sah die Kunden im Recht und verwies auf den entsprechenden Paragrafen 651h im Bürgerlichen Gesetzbuch, der einen Rücktritt von Kunden vom Reisevertrag vor Reisebeginn regelt. Auch Hinweise auf die europäische Pauschalreise-Richtlinie und eine notwendige europaweite Regelung sowie eine zumutbare Risikoverteilung zwischen Veranstaltern und Kunden bei einem unvorhergesehenen Ereignis wie einer Pandemie verfingen beim zuständigen Richter nicht.
„Entgegen der Auffassung der Beklagten bestand schon zum Zeitpunkt des Rücktritts eine hinreichend große Wahrscheinlichkeit auf das Bestehen außergewöhnlicher Umstände zum Reisetermin“, heißt es in der Urteilsbegründung (Aktenzeichen 118 C 3949/20). Auch wenn die Reisewarnung zunächst nur bis Ende April gegolten habe, war nach Auffassung des Gerichts schon zu diesem Zeitpunkt davon auszugehen, dass eine solche Reisewarnung wohl verlängert werden würde. Außerdem sei es den Kunden bei dem speziellen Reiseziel Tansania mit Blick auf die eingeschränkte, zu großen Teilen nicht westeuropäischen Standards genügende Krankheitsversorgung nicht zumutbar gewesen, noch weiter mit der Stornierung zu warten.

Gerade dieser Punkt sorgt beim Geschäftsführer des Reiseveranstalters in seiner Pauschalität für Kopfschütteln. Er hält mit solch einer unspezifischen Begründung jeden Reisevertrag nach Afrika im Grunde für kostenfrei stornierbar. Damit sei sein Geschäftsmodell praktisch nicht mehr mit einem vertretbarem Risiko durchführbar. Angesichts dieser möglichen Tragweite des Urteils hat der Reiseveranstalter vor dem Landgericht in Leipzig Berufung eingelegt. Allerdings droht auch hier eine Niederlage: Das Gericht hat in einem Hinweisbeschluss bereits erkennen lassen, dass es der Berufung „keine Aussicht auf Erfolg“ beimisst und beabsichtigt demnach, diese zurückzuweisen. Wenn die Berufung tatsächlich nicht zugelassen wird, wäre damit auch der Weg zu höheren Instanzen bis hin zum Bundesgerichtshof versperrt und das hält der Reiseveranstalter für einen Skandal. Zumal andere Gerichte, wenn es um kostenfreie Stornierungen im Falle einer Reisewarnung geht, auch schon anders geurteilt haben. Das Amtsgericht München hat beispielsweise die Klage gegen einen Kreuzfahrtveranstalter auf Rückerstattung der Reiseanzahlung bis auf einen Kleinstbetrag von 0,80 Euro zurückgewiesen (Az. 159 C 13380/20). Hier war die Klägerin im April 2020 von einer Buchung für eine Ostsee-Kreuzfahrt im Sommer 2020 zurückgetreten und hatte auf die weltweite Reisewarnung aufgrund der Corona-Pandemie verwiesen. Dem Gericht genügte diese Begründung nicht. „Allein die Tatsache der Pandemie reicht … nicht aus, um jeglichen Rücktritt von allen Pauschalreisen zu jedem Zeitpunkt ohne Anfall von Entschädigungszahlungen zuzulassen“, heißt es in der Urteilsbegründung. Es müsse immer der jeweilige Einzelfall geprüft werden. Bloße Angstgefühle reichten für eine kostenlose Stornierung nicht aus, so das Gericht.

Fazit: Eine einheitliche Rechtssprechung gibt zu diesem Themenkomplex der Reisestornierung durch den Reisenden im Zusammenhang mit Corona noch nicht, daher bleibt den Beteiligten nur der Weg über die gerichtliche Entscheidung, sofern eine einvernehmliche Einigung mit der Gegenseite nicht möglich ist.



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